Die Gewaltenteilung ist eines der fundamentalen Prinzipien moderner Demokratien. Sie sorgt dafür, dass die Macht innerhalb eines Staates aufgeteilt wird, um Machtkonzentrationen und deren Missbrauch zu verhindern. Die Theorie hinter der Gewaltenteilung besagt, dass die Exekutive, Legislative und Judikative voneinander unabhängig sind und sich gegenseitig kontrollieren. In Deutschland ist dieses Prinzip in der Verfassung, dem Grundgesetz (GG) und den Landesverfassungen verankert.
Wie gut funktioniert die deutsche Gewaltenteilung in der Praxis? Gibt es Fehler in der Umsetzung und welche Länder können als Beispiel dienen, in denen diese Idee besser funktioniert?

Die Gewaltenteilung in Deutschland: Eine theoretische Grundlage
Artikel 20 GG besagt, dass „die Staatsgewalt vom Volke ausgeht“, und dass die „gesetzgebende Gewalt (Legislative), die vollziehende Gewalt (Exekutive) und die rechtsprechende Gewalt (Judikative) getrennt“ sind. Die Trennung dieser drei Gewalten soll eine gegenseitige Kontrolle und Balance ermöglichen, sodass keine der Gewalten die alleinige Macht im Staat ausübt. Dies soll verhindern, dass eine einzelne Instanz unkontrolliert agieren kann, was in der Vergangenheit in autokratischen Systemen zu Machtmissbrauch geführt hat.
In Deutschland unterliegt diese Gewaltenteilung jedoch zunehmend Herausforderungen, die durch die politische und wirtschaftliche Realität verschärft werden. Ein funktionierendes System der Gewaltenteilung benötigt eine Unabhängigkeit jeder Gewalt von den anderen – jedoch gibt es in Deutschland mehrere Bereiche, in denen diese Unabhängigkeit nicht gewährleistet oder unter Druck steht.
Die Probleme der Gewaltenteilung in Deutschland
Die politische Einflussnahme auf die Judikative

In Deutschland ist die Judikative (die Gerichte) grundsätzlich unabhängig, jedoch ist sie nicht immun gegen politische Einflussnahme. Ein Beispiel hierfür ist die Besetzung von hohen Gerichtsposten wie denen des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesgerichtshofs. Diese Ämter werden von politischen Akteuren bestimmt – im Falle des Bundesverfassungsgerichts durch die Bundesregierung und den Bundestag. Dies bedeutet, dass die Regierung einen erheblichen Einfluss auf die Besetzung von Schlüsselpositionen in der Judikative hat. Die Staatsanwälte auf Bundes- und auf Landesebene werden ebenfalls von politischen Funktionsträgern ausgewählt und ernannt.
Zudem gibt es immer wieder politische Debatten und öffentliche Druckausübungen auf Gerichte, insbesondere in hochpolitisierten Fällen wie etwa der Abwägung von Grundrechten und politischen Maßnahmen. Ein Beispiel war die Diskussion um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB), das als politisch heikel angesehen wurde. In solchen Situationen stellt sich die Frage, ob die Judikative ihre Unabhängigkeit bewahren kann, wenn der politische Druck wächst.
Die Vermischung von Legislative und Exekutive
Ein weiteres Problem in Deutschland stellt die Vermischung von Legislative und Exekutive dar. In der deutschen parlamentarischen Demokratie ist die Exekutive (die Regierung) eng mit der Legislative (dem Parlament) verflochten. Der Bundeskanzler, der die Regierung anführt, wird aus dem Bundestag gewählt, und die Minister sind in der Regel Abgeordnete des Bundestages. Sie müssen ihr Bundestagsmandat nicht abgeben, wenn sie Teil der Exekutive werden. Diese enge Verzahnung zwischen den Gewalten führt dazu, dass die Exekutive in vielerlei Hinsicht die Gesetzgebung beeinflussen kann, da die Regierungspartei oder die Koalition die Mehrheit im Bundestag stellt.
Die Rolle von Lobbyismus und der Einfluss der Wirtschaft
Ein weiteres Problem in Deutschland ist der enorme Einfluss von Lobbyisten und der Wirtschaft auf politische Entscheidungen. Wirtschaftliche Interessengruppen üben durch Lobbyismus großen Einfluss auf die Gesetzgebung aus und können so die Exekutive in ihrem Handeln beeinflussen. Der politische Druck der Industrie kann dazu führen, dass Gesetzgebungsprozesse nicht vollständig unabhängig und im Interesse der Allgemeinheit gestaltet werden.

Länder, in denen die Gewaltenteilung besser funktioniert
Einige Länder haben Mechanismen entwickelt, die eine stärkere Unabhängigkeit der Gewalten gewährleisten. In den USA etwa ist die Gewaltenteilung sehr stark ausgeprägt. Die Exekutive (der Präsident) ist direkt vom Volk gewählt, der Kongress (Parlament) wird ebenfalls vom Volk gewählt, und die Judikative ist weitgehend unabhängig, wobei die Ernennung der Richter durch den Präsidenten erfolgt, jedoch mit der Zustimmung des Senats (zweite Instanz der Legislative). In den USA gibt es außerdem zahlreiche Kontrollinstanzen und ein starkes System der „Checks and Balances“, wodurch die einzelnen Gewalten sich gegenseitig kontrollieren.
Ein weiteres Beispiel ist die Schweiz. Das schweizerische System der Gewaltenteilung basiert auf direkter Demokratie und Konkordanz (Zusammenarbeit statt Konfrontation). Die Regierung (Bundesrat) besteht aus sieben Mitgliedern, die gemeinsam die Regierung bilden. Aus ihrer Mitte wird der Bundespräsident für ein Jahr gewählt. Die Position rotiert unter den Mitgliedern, und die Entscheidungen des Gremiums werden nach aussen hin von allen Mitgliedern getragen. Mitglieder des Bundesrats können nicht gleichzeitig Mitglieder des Parlaments sein. Sie werden vom Parlament gewählt, müssen ihr Mandat aber nach der Wahl niederlegen, falls sie eines hatten. Ihre Amtszeit beträgt vier Jahre. Während der Amtszeit ist eine Abwahl nicht möglich. Die Regierung arbeitet eng mit der Legislative (Nationalrat und Ständerat) zusammen. Diese wird Bundesversammlung genannt.
Das Bundesgericht ist das höchste Gericht in der Schweiz und prüft, ob die Gesetze korrekt angewendet werden. Es kann aber Bundesgesetze nicht für ungültig erklären. Eine Verfassungsgerichtsbarkeit ist ihm untersagt, weil nicht Richter, sondern das Volk mittels Referendum über die Einhaltung seiner Verfassung bestimmen soll. Die unteren Instanzen heißen Kantonsgerichte.
Lobbyismus gilt in der Schweiz als legitime Form politischer Mitwirkung. Alle Lobbyisten, die zum Parlamentsgebäude Zugang erhalten, werden auf der Website des Parlaments veröffentlicht. Sie müssen auch eine Zutrittskarte von einem Parlamentsmitglied besitzen. Alle Parlamentarier müssen ihre Interessensbindung offenlegen. Diese sind in einer Liste veröffentlicht. Parteispenden über 50.000 CHF müssen veröffentlicht werden.
Wie es in Deutschland besser funktionieren könnte
Die Gewaltenteilung in Deutschland könnte durch verschiedene Reformen gestärkt werden:
1. Mehr Transparenz bei der Ernennung von Richtern
Um die Unabhängigkeit der Judikative zu gewährleisten, sollte das Verfahren zur Ernennung von Richtern und Staatsanwälten transparenter und unabhängiger gestaltet werden. Eine breite Beteiligung von Fachleuten und eine unabhängige Prüfung der Kandidaten wären notwendig, um den Einfluss der Politik auf die Justiz zu verringern. Die stärkere Beteiligung unabhängiger Gremien könnte verhindern, dass politische Erwägungen bei der Besetzung hoher Richterposten eine zu große Rolle spielen.
2. Stärkere Kontrolle der Exekutive durch das Parlament
Die Rolle des Parlaments in der Kontrolle der Regierung sollte gestärkt werden. Der Bundestag sollte eine aktivere Rolle in der Vorbereitung und Beratung von Gesetzesvorlagen übernehmen, um sicherzustellen, dass Gesetze nicht zu stark von der Exekutive dominiert werden. Mitglieder des Bundestags sollten nicht gleiczeitig Mitglieder der Executive sein können, sondern wurden sin diesen Fällen ihren Bundestagssitz verlieren.
3. Regulierung des Lobbyismus
Ein stärker regulierter Lobbyismus würde dazu beitragen, den Einfluss von wirtschaftlichen Interessen auf politische Entscheidungen zu verringern. Absolute Transparenz bei der finanziellen Unterstützung von politischen Kampagnen sowie striktere Regeln für den Lobbyismus könnten das System fairer und unabhängiger machen.
Fazit Die Gewaltenteilung ist ein unverzichtbares Prinzip für die Demokratie, das in Deutschland an einigen Stellen verbessert werden kann. Die Trennung der Gewalten und die Unabhängigkeit der verschiedenen Staatsorgane sind nach wie vor Anspruch des deutschen Staatsrechts, doch die Praxis zeigt, dass politische und wirtschaftliche Interessen die Balance stören. Ein von der Executive unabhängiges Regelwerk für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten, eine stärkere Kontrolle der Regierung durch das Parlament und ein besser regulierter Lobbyismus könnten dazu beitragen, das System der Gewaltenteilung in Deutschland zu stärken. Es gilt, diese Prinzipien zu schützen, um eine echte und funktionierende Demokratie zu gewährleisten.
