Mut zur eigenen Meinung

Vom 24. bis 26. Oktober 2025 fand der 2. Kongress „Frieden und Dialog“ in Liebstedt statt. Wir blicken zurück auf ereignisreiche, informative und spannende Tage.

„Der Frieden ist so weit entfernt wie noch nie.“ In einem Satz brachte Günter Ramthor, Ehrenbürger der Stadt Apolda, den gegenwärtigen Zustand auf unserer Welt auf den Punkt und forderte Handlungsbedarf ein. Der frühere Unternehmer, Stadtrat und Stiftungsgründer gehörte zu den insgesamt 280 Teilnehmern und Gästen auf dem zweiten Kongress „Frieden und Dialog“ vom 24. bis 26. Oktober 2025 in Liebstedt im thüringischen Weimarer Land.

Veranstalter war die Gesellschaft zur Förderung guten Lebens e.V. Themen wie Gewaltenteilung, Möglichkeiten der direkten Demokratie, Traditionen und Perspektiven der Friedensbewegung, aber auch das komplizierte Verhältnis Europas zu Russland wurden auf der altehrwürdigen Ordensburg in Vorträgen, Workshops, Gesprächsrunden intensiv, streitbar, vorbehaltslos, provokant diskutiert.

Die Veranstaltung hat in diesem Jahr eindrucksvoll gezeigt: Liebstedt ist ein Ort des Dialogs und der Verständigung. Menschen aus ganz Deutschland und dem Ausland kamen zusammen, um zu diskutieren, neue Impulse zu gewinnen und sich persönlich zu vernetzen. Die historische und inzwischen umfangreich sanierte Burganlage mit ihren verwinkelten Gängen, dem offenen Innenhof und ihrer inspirierenden Atmosphäre bot den idealen Rahmen für eine Veranstaltung, in der Theorie, Praxis, Kunst und Musik zu einem harmonischen Ganzen verschmolzen.


Um Frieden zu erreichen sei der offene und in Freiheit geführte Dialog unabdingbar, erklärte Initiatorin und Organisatorin Marion Schneider zur Eröffnung der Veranstaltung. Das Miteinander und die Gemeinschaft des Kongresses bezeichnete die Moderatorin als wesentlich, um den Mut aufzubringen, wirklich frei zu sein.

Marion und Ramthor
Marion Schneider und Günter Ramthor

Die Theaterspielgruppe des Lyonel-Feininger-Gymnasiums Mellingen eröffnete den künstlerischen Teil des ersten Abends mit Szenen, die das Thema Frieden auf sehr persönliche Weise interpretierten. Durch symbolische Darstellungen von Konflikt, Versöhnung und Verantwortung entstand eine emotionale Verbindung zwischen Bühne und Publikum. Viele Zuschauer berichteten später, wie stark die Inszenierung die Gedanken und Gefühle für den Kongressauftakt prägte.

Bvdm
Beate van der Meer: Dialog ist unabdingbar für Frieden. Dabei komme es nicht nur darauf an, sich angstfrei zu äußern, sondern auch, andere Meinungen auszuhalten.

Beate van der Meer widmete sich in ihrem Vortrag der Bedeutung des Friedens in der heutigen Zeit. Die Netzwerkerin und Stadträtin im Gemeinderat der Stadt Naumburg forderte, das Thema Frieden nicht den Politikern zu überlassen. Die Menschen sollten selbst aktiv für Frieden wirken. Sie verknüpfte theoretische Überlegungen mit praktischen Beispielen und regte zu Reflexion über die Rolle jedes Einzelnen im friedenspolitischen Kontext an.

Im beleuchteten Burginnenhof interpretierte der Artist Sasha Zucker mit seiner Luftakrobatik am Vertikalseil russische Jazzmusik der Band Pervoe Solnce auf beeindruckende Weise. Die Spannung und Harmonie zum Ausdruck bringende Körpersprache zog das Publikum in den Bann.

Sascha
Sascha
Krengel

„Wenn wir anfangen, zu hören, ist die Welt in wenigen Tagen eine andere“

André Krengel

So lautete die Friedensbotschaft des Düsseldorfer Kulturpreisträgers André Krengel. Mit seinem Konzert setzte der „Gitarrenhexer“ musikalische Akzente, die Raum für Nachdenken und emotionale Verarbeitung boten. Den Abend rundete eine Diskothek mit DJ Böttcher ab, begleitet von kulinarischen Angeboten der Freiwilligen Feuerwehr Liebstedt und des Burg-Teams. So verband sich kulturelle Vielfalt, Musik, Genuss und persönliche Begegnung zu einem gelungenen Auftakt des Kongresses.

Der Samstag führte inhaltlich tief in das Thema Demokratie. Der Vormittagsblock war der Gewaltenteilung gewidmet. Der Jurist und Politiker Claudio Zanetti aus der Schweiz erläuterte, wie in seinem Land direkte Demokratie und Föderalismus funktionieren und den Bürgern eine aktive Rolle im politischen Geschehen erlauben.

Rechtsanwalt Ralf Ludwig erläuterte das deutsche System horizontal zwischen Legislative, Exekutive und Judikative sowie vertikal zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Er gab außerdem zu bedenken: Würden wir die Macht selbst in der Hand haben im Sinne einer aktiven Bürgerbeteiligung in politischen und gsellschaftspolitischen Fragen, bräuchten wir auch keine Gewaltenteilung.

Podiumsdiskussion


In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Claudio Zanetti, Ralf Ludwig und dem fraktionslosen sächsischen Landtagsabgeordneten Matthias Berger moderierte Marion Schneider den Austausch zwischen Experten und Teilnehmenden.

Themen wie Bürgerräte, Volksentscheide und neue Formen der Bürgerbeteiligung wurden intensiv und unter Einbeziehung des Publikums diskutiert. Die Vielfalt der Perspektiven machte deutlich, wie lebendig der demokratische Diskurs sein kann, wenn Theorie und Praxis aufeinandertreffen.

Für alle, die sich für das Schweizer Modell der Demokratie interessieren, hat uns Herr Claudio Zanetti seine Präsentation zur Verfügung gestellt: Gewaltenteilung in der Schweiz

Das Nachmittagsprogramm setzte den Schwerpunkt auf den deutsch-russischen Dialog. Historiker Jörg Ulrich Stange erläuterte die dynastischen Verbindungen zwischen deutschen Fürstendynastien und dem russischen Zarenhaus über 300 Jahre. Mehr historische Informationen zu diesem Vortrag und den deutsch-russischen Verbindungen der Vergangenheit finden Sie auch in unserem Blogbeitrag.

Dr. Hauke Ritz als Philosoph, Publizist und ausgewiesener Experte für Geopolitik analysierte geopolitische Narrative und kulturelle Tiefenstrukturen, ein Thema, was das Publikum begeisterte und eine rege Diskussion anstieß. Anschließend präsentierte Iwana Steinigk vom Aktionsbündnis ZukunftDonbass e.V. Einblicke aus Meinungsumfragen, die das Verhältnis der russischen Gesellschaft zu Deutschland beleuchteten. Die Pädagogin Christiane Harder erklärte die Rolle des Russischunterrichts als Brücke des Friedens und die Publizistin Christiane Reymann zeigte zivilgesellschaftliche Perspektiven für gemeinsame Erinnerungs- und Bildungsinitiativen.

Der Abend verband künstlerische und spirituelle Elemente: In der benachbarten Kirche St. Laurentius ein Friedensgottesdienst mit Pfarrerin Christin Drexel und Gastpfarrer Eckhart Friedrich statt, der von Corinna Gehre aus Jena musikalisch umrahmt wurde. Corinna Gehre und Alexander Philipp Hahne begleiteten im Anschluss musikalisch den Ausklang in der Festscheune.

Den Sonntag eröffnete Dr. Diether Dehm mit einem Rückblick auf die Friedensbewegung der 1980er Jahre. Das frühere Mitglied des Deutschen Bundestags forderte Geduld beim Entstehen einer neuen Friedensbewegung ein und machte deutlich, dass auch Misserfolge und Rückschläge Teil eines Prozesses seien.

Kocherhans Sabina

Die Keynote-Speakerin Sabina Kocherhans forderte in ihrem Vortrag zu Netzwerken und Fundraising für Friedensinitiativen dazu auf, tolerant zu sein, Frieden auch mal anders zu denken, zu akzeptieren, dass Menschen anders, vielleicht auch bunter sind. Wer Frieden wolle, müsse auch bereit sein, mal querzudenken und den Mut haben, bei anderen anzuecken.

Darüber hinaus war der dritte Tag im Wesentlichen Workshops vorbehalten, die unterschiedliche Themen zur Sprache und Diskussion brachten: Hier konnten die Teilnehmenden praxisnah arbeiten. Themen reichten von Fundraising (Sabina Kocherhans), Kriegsdienstverweigerung (Florian D. Pfaff), Strategien für ein neutrales Deutschland (Anneliese Finkentscher und Andreas Neumann) über symbolisches Nachbarschaftstheater (Micky Remann), Bewusstseinsentwicklung und Friedensarbeit (Bernd Ziege), Folgen eines Atomkriegs (Prof. Dr. Klaus-Dieter Kolenda) bis zu gewaltfreier Kommunikation mit Lachyoga (Lukas Osburg). Die Workshops verbanden Theorie und Praxis, förderten Austausch und Reflexion und zeigten kreative Ansätze, um Frieden im Alltag zu gestalten. Wer noch mehr Informationen zu den Workshops haben möchte, findet einige Beschreibungen auch in unserem Friedensblog.

Das Miteinander hat der Medienkünstler Micky Remann übrigens besonders berührend und eindringlich erklärt. In seinem Workshop auf dem Kongress richtete der Kulturdirektor der Toskanaworld AG Bad Sulza eine Liebeserklärung an unseren vor Leben wimmelnden Planeten: Das Kuddelmuddel von Systemen, von Freude, von Bier, von Rostwurst, von Kängurus, von Giraffen und Murmeltieren und sogar fleischfressenden Pflanzen sei ein unglaublich wertvolles Gesamtgeflecht. Dieses sei es unbedingt wert, erhalten zu werden.

In seinem „Musik für den Frieden“-Auftritt bewies sich der aus Sachsen angereiste Yann Song King als Spezialist für Songparodien. Der sich selbst als „schwurbelnder Liederkönig“ bezeichnende Liedersänger nahm mit ironischer Leichtigkeit die Selbstgefälligkeit der Regierenden und die vor lauter Bürokratie handlungsgelähmte Europäische Union auf die Schippe.

Die Workshop-Ergebnisse wurden anschließend vorgestellt, bevor Gerben und Christine van der Heide mit ihrem kleinen Theaterstück „Apollon und Klio“ den Kongress humorvoll und charmant abrundeten. Ein gemeinsames Kaffee- und Kuchenbuffet bot die Gelegenheit, letzte Gespräche zu führen und persönliche Verbindungen zu festigen.

Der Friedenskongress 2025 in Liebstedt zeigte eindrucksvoll, wie Diskussion, Kunst, Musik und Workshops in einem Rahmen miteinander verschmelzen können, der sowohl intellektuell anregend als auch emotional berührend ist. Die Teilnehmenden gingen inspiriert, vernetzt und motiviert nach Hause, mit neuen Impulsen für Demokratie, Frieden und zivilgesellschaftliches Engagement.

Die Abschlusserklärung, die Referenten mit Teilnehmern gemeinsam abstimmten wurde formuliert und ist hier zu finden: Abschlusserklärung „Frieden und Dialog 2025“. Wer sich für mehr Informationen zu den Programminhalten und Referenten interessiert, findet hier die Informationen zum Kongress 2025.

Die Ordensburg Liebstedt bleibt auch künftig Ort des Dialogs: Der nächste vom Verein Gesellschaft zur Förderung guten Lebens e.V. veranstaltete Friedenskongress findet vom 24. bis 27. September 2026 statt. Unter dem Motto „Frieden und Dialog für alle Generationen“ soll die Veranstaltung Menschen jeden Alters – von Kindern und Jugendlichen bis zu Erwachsenen – zusammenbringen, um gemeinsam über Frieden, gesellschaftliches Miteinander und zukunftsfähige Bildung zu diskutieren.

Bedanken möchten wir uns auch ganz herzlich bei unseren Sponsoren, ehrenamtlichen Helfern, Mitwirkenden und Mitmachenden, die enthusiastisch und mit viel Engagement dabei waren und ohne die ein solcher Kongress nicht realisierbar wäre. Vielen Dank!